„Fotowalks“ – ein missverstandener Trend auf Kosten der Hunde
- Jeanette Grottendiek
- vor 14 Minuten
- 3 Min. Lesezeit
In der Welt der Hundefotografie macht seit einiger Zeit ein Begriff die Runde: der sogenannte Fotowalk. Was auf den ersten Blick wie ein moderner, kreativer Trend klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Etikettenschwindel – mit zweifelhaftem Nutzen und teilweise klaren Nachteilen für die beteiligten Hunde. Denn ein „Walk“ ist das in den seltensten Fällen. Statt eines Spaziergangs handelt es sich meist um ein Gruppen-Fotoshooting an einem festen Ort – mit allen damit verbundenen Problemen.
Fotowalk – der falsche Begriff
Der Begriff Fotowalk suggeriert eine lockere fotografische Entdeckungstour: Man geht gemeinsam mit der Kamera spazieren, bewegt sich über eine gewisse Strecke (z. B. 3–5 km), entdeckt interessante Fotospots und hält besondere Momente unterwegs fest.
Doch genau das passiert bei den meisten sogenannten „Fotowalks“ nicht.
Statt zu gehen, trifft man sich an einer einzigen Location – einem Park, einer Brücke, einer Wiese oder ähnlichem – und bleibt dort. Hunde werden nacheinander vor die Kameras gestellt, alle Fotografen arbeiten parallel oder im Wechsel. Das hat mit einem „Walk“ absolut nichts zu tun. Es ist ein Gruppen-Fotoshooting, kein fotografischer Spaziergang. Der Begriff ist also nicht nur unpassend – er führt auch zu völlig falschen Erwartungen.
8 Fotografen, 8 Hunde – und 16 Fotos in 4 Stunden
Typischer Ablauf: Etwa acht Fotografen, acht Hundeteams, eine Location – und eine Dauer von bis zu vier Stunden. Jeder Fotograf liefert 1–2 bearbeitete Bilder pro Hund. Das bedeutet: Jeder Hund bekommt am Ende 8 bis 16 Fotos– für rund 40 Euro Teilnahmegebühr.
Auf den ersten Blick scheint das viel Bildmaterial für wenig Geld zu sein. Doch genau hier beginnt das Problem: Die Bilder werden regelrecht „verramscht“. Unter Zeitdruck, ohne echtes Konzept, mit ständigem Wechsel der Motive – und auf Kosten der Tiere.
Vier Stunden Shooting – eine Zumutung für Hunde
Was viele übersehen: Vier Stunden sind viel zu lang, um einem Hund dauerhaft volle Aufmerksamkeit und Mitarbeit abzuverlangen. Auch wenn die Zeit zwischen den Shootings manchmal als „Pause“ gedacht ist, ist sie das selten wirklich. Die Hunde sind während der gesamten Zeit unter Anspannung – fremde Menschen, fremde Tiere, permanente Bewegung, wechselnde Anforderungen.
Von Fotograf zu Fotograf gereicht, bleibt kaum echte Ruhephase. Dazu kommt die Umgebung: häufig attraktive, aber überlaufene Locations, mit vielen Reizen, Geräuschen und Ablenkungen. Für viele Hunde – insbesondere sensible oder unerfahrene – ist das eine dauerhafte Stresssituation, die kaum Raum für natürliche Mimik oder entspannte Posen lässt.
Stress und Hetze statt Ruhe und Qualität
Um in der Zeit alle Hunde mit allen Fotografen abzulichten, wird durchgeplant und getaktet. Für Pausen bleibt kaum Raum. Die Hunde werden von Fotograf zu Fotograf gereicht, oft ohne wirkliche Ruhephasen dazwischen. Gerade an beliebten Fotospots ist das besonders belastend – denn diese Orte sind oft nicht nur schön, sondern auch überlaufen: Spaziergänger, Jogger, Kinder, andere Hunde – die Reizkulisse ist hoch.
Für viele Hunde bedeutet das Stress pur. Die permanente Anspannung zeigt sich in der Körpersprache, in den Bildern – und manchmal auch in der Reaktion der Tiere. Wer denkt, dass unter solchen Bedingungen schöne, authentische Fotos entstehen, liegt leider falsch.
Kein Lerneffekt, keine Tiefe
Für viele Hobbyfotografen sind Fotowalks eine Möglichkeit zur Übung. Doch das Setting ist denkbar ungeeignet dafür. Kein Fotograf kann sich in wenigen Minuten ernsthaft auf einen Hund einlassen. Es fehlt die Zeit für individuelle Einstellungen, für kreative Bildgestaltung oder technisches Ausprobieren.
Es geht ums Abarbeiten, nicht ums Verstehen. Und damit auch nicht ums Lernen. Wer sich fotografisch wirklich weiterentwickeln will, braucht etwas völlig anderes: Ruhe, Feedback, und Raum für Fehler – nicht Termindruck.
Das Geschäftsmodell – und wer wirklich davon profitiert
Finanziell gesehen profitieren vor allem die Veranstalter. Sie kassieren Teilnahmegebühren von beiden Seiten – Hundebesitzern und Fotografen – und liefern ein Paket, das auf den ersten Blick attraktiv erscheint. Doch am Ende zahlen alle Beteiligten: mit Zeit, mit Stress – und mit Qualitätseinbußen.
Die Fotografen geben ihre Bilder fast kostenlos her, Hundebesitzer erhalten mittelmäßige Ergebnisse, und der Markt wird mit Billigangeboten geflutet. Wer als Fotograf ernsthaft versucht, professionell zu arbeiten, hat es in einem Umfeld voller Dumping-Angebote schwer.
Fazit: Kein „Walk“, kein echtes Shooting – und kein Gewinn
Was als kreative Community-Aktion vermarktet wird, ist in Wahrheit ein durchgetaktetes Massen-Shooting. Ein echter Fotowalk – also ein Spaziergang mit Kamera über mehrere Kilometer, mit wechselnden Motiven, spontanen Entdeckungen und natürlichem Tempo – hat mit dem, was bei den meisten dieser Events passiert, nichts zu tun.
Für die Hunde ist es stressig, für die Fotografen kaum lehrreich, und für den Markt letztlich schädlich. Wer wirklich schöne Bilder von seinem Hund möchte, sollte lieber auf ein ruhiges, individuelles Einzelshooting setzen – mit klarer Struktur, durchdachtem Konzept und Respekt für das Tier.
Denn gute Fotos brauchen vor allem eines: Zeit.
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